Über Zeit, Tempo und Raumerlebnis bei Johannes Pfeiffer


Intro
Ettlingen, im August 2006
Johannes Pfeiffer beginnt seine Ausstellung auf der Ettlinger Wilhelmshöhe aufzubauen. Auf der weitläufigen Terrasse des Gebäudes, in dem seit 1985 der dortige Kunstverein angesiedelt ist, entsteht eine Installation aus fünf niedrigen, schwarz verkohlten Baumstümpfen, die durch weiße, strahlenförmig angeordnete Nylonfäden mit der Hausfassade verbunden werden. „Im Rampenlicht“, nennt der Künstler das Werk. Im Innern nehmen die Installationen in den beiden kleinen Räumen allmählich Konturen an. Der Ausstellungsaufbau wird unterbrochen, in Italien, in Miasino am Ortasee, muss eine Installation aufgestellt werden. Anschließend reist Pfeiffer ins heimatliche Lanzo Torinese, einem kleinen Ort 30 Kilometer nördlich von Turin, in dem er seit vier Jahren lebt und arbeitet. Die Unterbrechung dient auch dazu, sich über das Konzept des separaten Raumes der Ettlinger Ausstellung Gedanken zu machen. Neue großformatige grafische Arbeiten, sogenannte Blindskizzen, entstehen dafür in Italien. Pfeiffer kehrt nach Deutschland zurück und stellt die Ausstellung auf der Wilhelmshöhe fertig. Bei der Ausstellungseröffnung dokumentiert der Freund und Fotograf Lorenzo Mascherpa, der ihn fast immer zu Ausstellungen begleitet, die gezeigten Werke. Schon am nächsten Tag sind die beiden wieder auf dem Rückweg nach Italien, die Ausstellungseröffnung in Miasino steht an...

Der Künstler
„Ich erfahre vor Ort die Welt“ , erklärt Johannes Pfeiffer das Tempo, mit dem er von einer Station zur nächsten reist. Orte, in denen er die Welt erfahren kann, sind für ihn immer auch Orte der eigenen Befindlichkeit. Das Reisen an fremde Orte birgt die Chance, Neues zu sehen, andere Menschen zu erleben, Erfahrungen zu sammeln und mit der eigenen Arbeit darauf zu reagieren. Stimulans zum Arbeiten sind ihm nicht nur die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort, die das Wo und Wie bestimmen, sondern auch das damit verbundene Freisetzen von eigenem empirischem Wissen, von Emotionalität und Subjektivität sowie die Möglichkeiten der Assoziation, die in der Verknüpfung all dieser Komponenten zum Tragen kommt. Johannes Pfeiffer schafft Netzwerke quer durch Europa, die mühelos Entfernungen, Hindernisse und Grenzen überwinden. Dabei hat er alle nur erdenklichen Freiheiten. Folgt man der Charakterisierung, dass dreidimensionales Gestalten eine „Besitzergreifung des Raumes“ sei, so folgt Pfeiffer dieser insoweit, dass es ihm vor allem darum geht, die Wesenhaftigkeit eines Ortes durch sein Zutun offen zulegen. Das Medium der Installation scheint für ihn gerade zu geeignet zu sein. Der Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit ist dabei immer ein spiritueller und konzeptioneller Ansatz.

Doch alles begann zunächst ganz anders. Johannes Pfeiffer wurde in Ulm geboren, studierte Betriebswirtschaft, Theologie und Jura in Berlin und entschloss sich im Jahr seines Studienabschlusses nach Italien zu gehen, nicht, um im erlernten Beruf zu arbeiten, sondern um sich den freien Künsten zuzuwenden. Das Studium der Bildhauerei an den Akademien von Rom und Carrara vermittelte ihm eine klassische Ausbildung in der Bearbeitung von Bronze und Stein. Doch bereits 1985 entstanden erste raumgestaltende Arbeiten, „um aus der Gefangenschaft des Marmor herauszukommen“, wie er es formuliert. Die Abkehr von den traditionellen Bildhauertechniken und der Weg zu freieren Ausdrucksformen waren für Pfeiffer ein folgerichtiger Schritt, da sie ihm ein schnelleres Arbeiten ermöglichen, was dem Tempo unserer Zeit mehr entspricht.
Seither hat sich der Künstler eine eigene Bildsprache entwickelt, die aus Modulen mit Materialien wie Ziegelstein, Kiesel und Holz sehr individuelle, dennoch wiedererkennbare Arbeiten schafft. Den historischen Werkstoff Ziegel verwendet er vor allem für Architekturelemente wie Mauern, Wände, Bodenformen oder turmartige Halbkreissegmente, die er mit dünnen Nylonschnüren verspannt und dadurch in eine Art Schwebezustand versetzt. Zur Arbeit mit dem Ziegel als erdverbundenes, tragendes Element tritt in seiner ebenfalls ambivalenten Bedeutung das Material Holz, dass er meistens durch Hitzeeinwirkung an den Oberflächen verändert.
Johannes Pfeiffer sieht sein künstlerisches Tun als einen „Zugriff auf das unterbewusste Wissen“ und dieses Wissen als einen Schlüssel für jegliches künstlerisches Agieren. Die Möglichkeit, mit seiner Arbeitsweise die Geschichte eines Ortes in die Gestaltung des Kunstwerks miteinzubeziehen, lässt ihn auch immer wieder solche besonderen Orte aufsuchen.

Im Dialog mit der Architektur
Einen solchen Platz fand er an der kleinen Kirche im südfranzösischen Gigondas, nahe Avignon, von wo aus man einen herrlichen Blick über das Rhone-Tal hat. Die Installation „Klanglinien en soleil majeur – message pour W.“ (2004, S. 13) bestand aus zwei runden Olivenmahlsteinen, die er dort in der Nähe vorgefunden hatte. Sie wurden mit gebündelten Nylonschnüren in einer Höhe von etwa acht Metern an der Fassade der Kirche befestigt. Von oben begleiteten Klänge die Installation, so dass sich neben der Assoziation von Lichtstrahlen, die von oben herab auf die Steine fallen, auch die akustische Vorstellung zweier Klangkörper einstellte.

Eine vergleichbare Situation fand Pfeiffer auf der Terrasse der Ettlinger Wilhelmshöhe vor, wo er die schon erwähnten verkohlten Baumstümpfe einsetzte: „Im Rampenlicht“ (2006, S. 9, 11). Die Schnüre wurden an der steinernen Fassade ebenfalls so befestigt, dass die hellen Fadenbündel jeweils an einem Punkt zusammenliefen wie gebündelte Lichtstrahlen. Es entstand der Eindruck von Scheinwerferkegeln, deren Licht von den schwarzen Flächen der Hölzer absorbiert wurden. Johannes Pfeiffer gestaltete mit diesen Figuren eine Durchgangssituation. Der Baumstumpf, der den Naturkreislauf symbolisiert und damit für das Leben schlechthin steht, wurde von dem Linienbündel wie von einem transzendenten Licht angestrahlt. Dessen Quelle könnte jenseits der realen Vorstellungen liegen und drängt Gedanken an

gotische Verkündigungsszenen auf, in denen der göttliche Segen mittels gemalter Lichtstrahlen bildhaft wird.
Die Affinität zur Historie ist in den Werken von Johannes Pfeiffer immer zu spüren. In Miasino, einem Ort oberhalb des Ortasees, war es ein zwei Meter langer Steinfindling, der zum Empfänger der transzendenten Botschaft wurde (Findling, 2006, Titelbild u. S. 15). Die weißen Nylonfäden, die sich von der mit Fresken bemalten Fassade der alten Villa ausbreiten, geben dem schweren Stein Anmut und Leichtigkeit – es wird Bewegung erzeugt, wo vorher keine existierte und – die Architektur zur Bühne für ein unerhörtes, noch nie da gewesenes Ereignis.

Arbeitet Johannes Pfeiffer in Innenräumen („Gezeitenwende“, 2004, S. 17), wie es 2004 für das Kulturforum in Schorndorf geschah, wird das gedankliche Gerüst der Installation stärker visualisiert als im Außenraum, was auch daran liegen mag, dass der Betrachter den künstlerischen Eingriff an diesen Orten unmittelbarer empfindet. Dort schüttete er Sanddünen auf, in die er an Nylonfäden angebrachte Ziegelsteine wie Rudimente von Mauern setzte, die über den Sand hinweg ragten, zum Teil auch davon überdeckt wurden. Gedanklich mag man an Ruinenreste denken, die entweder bald von den Dünen verschluckt werden oder sich im umgekehrten Fall aus den Sandmassen zu erheben scheinen. Das Kommen und Gehen von Kulturen und die zerbrechliche Symbiose von Mensch und Natur hat der Künstler darin mit einfachen Mitteln eindrucksvoll thematisiert und zugleich auf die Zeitlichkeit von realen Abläufen angespielt.

Innen-Welten
In der Ausstellung für den Kunstverein Mannheim (2001, S. 19) verzichtete Johannes Pfeiffer ganz auf das Material Ziegelstein und arbeitete lediglich mit Nylonschnüren. Im Titel der Arbeit „Innenschau“ klingt schon an, dass es ihm dabei weniger um das handgreifliche Erobern des Raumes mit einem wie auch immer gearteten plastischen Material ging, sondern um ein reflektierendes, abstraktes Raumerlebnis. In Abständen von zehn Zentimetern wurde der Ausstellungsraum, der von einer Galerie umlaufen wird und nach oben offen ist, mit Fäden vergittert. Ein Betreten war nicht möglich. Lediglich von oben und von der Treppe aus konnte man ungehindert in den Raum hineinsehen. Die Dimension des Raumes, der eigentlich der Kunst als Spielfeld dienen sollte, wurde als räumlicher Körper real erfahrbar und der Raum selbst damit zum Kunstwerk.
Das Ausgrenzen des Betrachters wurde von Johannes Pfeiffer auch in den beiden kleinen Räumen der Ettlinger Ausstellung vollzogen, um mit dem Mittel der Distanz auf den fiktionalen Charakter seiner Werke anzuspielen. Die „Einsichten“, die der Betrachter darin nehmen konnte, waren nur über einen schwarzen, schlauchähnlichen Stoff möglich, wie man es von historischen Fotoapparaten kennt. Die beiden Räume waren ansonsten verschlossen und verdunkelt. Im Raum mit dem Titel „Die Einsamkeit der Nähe“ (2006, S. 20-23) hingen kleine, aus Robinienholz gefertigte Häuserformen von der Decke herab und waren in zwei Gruppen wie kleine Bergdörfer am Hang einander zugeordnet. Das fluoreszierende, von seiner Rinde befreite Holz der Robine leuchtete im ultravioletten Licht gelblich auf.

Verblüffend ist die Wirkung des Lichts im Raum, die in den Katalogabbildungen nur annähernd wiedergegeben werden kann. Die Intensität der Farben unter dem Schwarzlicht versetzte die Objekte in einen eigenartigen Schwebezustand und das nicht nur, weil diese wirklich von der Decke herabhingen. Die Szenerie hat etwas Traumhaftes, der Realität Entrücktes, fast Schmerzhaftes, was selbst in der Fotografie noch deutlich zu spüren ist. Der Betrachter, der nicht in diesen Raum eintreten konnte, blieb außen vor, so sehnsüchtig er sich vielleicht dort hineinversetzt gewünscht hätte.
Assoziiert das Symbol des Hauses Geborgenheit, Zuflucht und Schutz, so kann es auch wie hier Rückzug oder Enge bedeuten. In dem korrespondierenden Raum schuf Pfeiffer „Die Einsamkeit der Ferne“ (2006, S. 24-25), eine Installation mit schwebenden Schiffskörpern, die eine konträre menschliche Situation formulieren. Die schlichte Holzform der einfachen Boote steht stellvertretend für die Metapher des Schiffes ganz allgemein. Es beinhaltet Empfindungen wie Sehnsucht und Neugier; es assoziiert die Ferne, Entdeckergeist, Aufbruchstimmung, aber auch Momente der Unsicherheit und das Wagnis jeder Reise. Auch in diesem Raum ist ein Schmerzgefühl spürbar. Hier vollzieht sich die unabdingbare Notwendigkeit des Abschieds und der Trennung.
Doch Johannes Pfeiffers Kunst schlägt versöhnliche Töne an. Existentielle Erfahrungen sind Teil eines ganzheitlichen Menschen. Dementsprechend fließen Ahnungen und Befürchtungen, Erfahrungen, Hoffnungen, Sorgen und Wünsche gleichermaßen in dieses Werk mit ein. In ihm erschließt sich die Wahrheit, das Wesentliche an den Dingen. Ob „Innenschau“ oder „Einsichten“, der Künstler spricht mit Werken dieser Art explizit eine nach innen gerichtete Wahrnehmung, den Rückverweis auf das eigene Ich, an. Das Raumerlebnis und seine unmittelbare Wirkung bilden den Anstoß für das reflektierende Denken.

Raumerfahrung und –wirkung sind ebenfalls Thema der Plexiglasräume („La Casa dell’Arte“, S. 51-57), die Pfeiffer in Serien auflegt. In ihnen kann der Künstler die unterschiedlichsten raumplastischen Ideen im kleinen Format umsetzen. Geometrische Elemente, Flächen und Körper, werden durch parallel verspannte Kunststofffäden im ebenfalls geometrischen Glasraum erzeugt, dieser damit gegliedert und das pluralische Raumempfinden zum Teil durch Spiegelflächen noch gesteigert. Der Raum und dessen Grenzen werden transparent, fast unsichtbar. Was bleibt, sind nur noch die Verbindungslinien, wie gedachte innere Linien, die sich durch ein Menschenleben ziehen.

Ein völlig anderes Material verwendete Johannes Pfeiffer für seine Installation im ehemaligen Wasserspeicher am Prenzlauer Berg in Berlin („Im Fluss der Zeit“, 2004, S. 29). Einen über drei Meter breiten Gang des historischen Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert legte er mit schwarzer, metallisierter Polyesterfolie aus. Der hinter einer Biegung angebrachte Ventilator blies die Folie in regelmäßigen Abständen auf, so dass der Eindruck einer großen Welle entstand, die auf den Betrachter zukam. Neben Parametern wie Material und Standortlicht, welches die Folie reflektierend aufleuchten ließ, bestimmte vor allem die gedankliche Vorstellung einer gewaltigen, unausweichlichen Kraft die Arbeit. Im gleichmäßigen Auf und Ab der Folie wurde auf die Zeit als Teil

eines unaufhaltsam fortschreitenden Ereignisses und gleichsam auf das „Atmen der Zeit“ verwiesen.

Wege
Auch das Abschreiten einer Wegstrecke beinhaltet die Zeit als konstituierendes Element. Dem Rhythmus des Voranschreitens beim Laufen setzte Johannes Pfeiffer den formalen Rhythmus in einer Installation entgegen, welche er im weitläufigen Skulpturenpark von Pievasciata im Chianti realisieren konnte. Dort baute er über eine Senke eine Brücke (Ponte controcorrente, 2001, S. 31) und formulierte in der Anordnung der Geländer zwei gegenläufige Bewegungen. Die auf- und absteigenden Stäbe aus Vierkantstahl reagieren auf den leichten Auf- und Abstieg, den der Benutzer der Brücke beim Betreten und wieder Verlassen leisten muss. Die Brücke als Sinnbild wird hier auch als Symbol für das Auf und Ab des menschlichen Daseins verstanden. Unweit davon schuf Pfeiffer eine weitere, damit in Verbindung stehende Installation, da sie die Bewegung des Abschreitens einer Strecke fortführt. Leuchtend weiße Marmorkiesel stehen auf schlanken Stahlstangen und begleiten einen Weg durch einen Eichenwald. Die Arbeit trägt den Titel „Limes“ (2001, S. 33), zu verstehen weniger in der Bedeutung von Grenzsteinen, als vielmehr im übertragenen Sinne als eine Grenzerfahrung. Wie schwebende Töne reihen sich die Kiesel am Wegesrand entlang, begleiten den Wanderer wie Töne auf einer Tonleiter.

Johannes Pfeiffer setzt mit seinen Kunstwerken bewusst Kontraste in Natur, Landschaft und Stadtraum. Er arbeitet mit Gegensätzen in Material, Farbe und Form. Wie in der klassischen Bildhauerei beschäftigen ihn aktive und passive Körper und ihr Verhalten in der Gegenüberstellung. Er zeigt statische Prinzipien auf und stößt bis an deren Grenzen vor. Zugleich nutzt er die Proportionalität von Körpern zur Hervorhebung von räumlicher Empfindung und zur Darstellung räumlicher Bezugsgrößen wie der Dimension.

Auf historische Begebenheiten vor Ort reagiert Pfeiffer mit der Rezeption über die Wesenhaftigkeit des Vorgefundenen. Die „Fallende römische Mauer“ (2005, S. 44-45) ist ein solches Beispiel. Unweit dieser Arbeit in Oberndorf am Neckar befindet sich die Fundstätte eines römischen Landhauses, dessen Mauerreste man zusammengebrochen vorfand. Die Installation von Johannes Pfeiffer, die er auf den Resten der mit dem Gebäude verbundenen römischen Straße errichtete, greift die archäologische Situation auf. Aus rotem Ziegelstein brannte er unzählige kleine Häuserformen, die er in Form einer Mauer auf unterschiedlich hohe, dünne Stahlstangen setzte. Die in eine Richtung vorgenommenen Abstufungen dienen dazu, den Moment des Fallens der Mauer vorstellbar zu machen und den Schwebezustand der Steine hervorzuheben. Der Betrachter kann die zehn Meter lange und bis zu zwei Meter hohe Installation in der Mitte betreten und wird so in das Fallen des Mauerelements mit einbezogen. Die Erfahrung einer virtuellen Bewegung ist an dieser Stelle besonders stark.
Das Thema dieser Installation im öffentlichen Raum ist zugleich zentrales Thema seines gesamten Schaffens. Es geht um das „innere Gleichgewicht der Dinge. Die Installation greift einen Augenblick im Leben der Dinge auf, einen

Augenblick in der Schwebe, einen Augenblick zwischen Himmel und Erde, zwischen Geistigem und Materiellem“, notierte Johannes Pfeiffer in einem Text dazu. Den Moment des Zusammenbrechens, der den Charakter und das Wesen der Mauer so radikal veränderte und die Übersetzung der gewaltigen Kräfte, welche die zuvor bewusst angeordnete und gespeicherte Energie mit einer rasant wachsenden Dynamik in einen anderen Daseinszustand versetzte, hat er in der „Fallenden Römischen Mauer“ festgehalten. In ihr „ist der Augenblick einer kurzen Begegnung zwischen dem was war und dem was kommt“ in eine künstlerische Form gebracht. „Diese Fallende Mauer ist der Augenblick, in dem sich die Atome neu ordnen, in dem sich zerstörerische Kräfte umwandeln in schöpferische Kräfte.“

Bewegung
Vorgestellte ist nicht reale Bewegung und setzt Phantasie und Vorstellungsvermögen voraus. Wirkliche Bewegung kann durch technische Hilfsmittel erzeugt werden, wie das schon genannte Werkbeispiel „Im Fluss der Zeit“ im ehemaligen Prenzlauer Wasserspeicher deutlich macht. Die Umsetzung von Bewegung auf die Fläche eines Bildträgers ist hingegen durch das Tempo der Setzungen einer grafischen oder malerischen Spur durchaus möglich, wie es die Künstler des Informel hinlänglich bewiesen haben.
Mit der selben Verve stellt Johannes Pfeiffer sogenannte „Blindskizzen“ her (S. 59-63), die er technisch als „Graffito auf Fotofilm“ bezeichnet. Ähnlich Ideogrammen notiert der Künstler auf unbelichteten, großformatigen Fotofilmen seine formalen Ideen in knapper, skizzenhafter Manier. Er tut dies mit geschlossenen Augen. Dieses absichtslose, vom Unterbewusstsein gelenkte Zeichnen erinnert an die „Écriture automatique“ der Surrealisten - mit einem Unterschied, dass Pfeiffer hierin nicht nur Neues, Unbekanntes zulässt, sondern auch über bereits formulierte Ideen nachdenkt. Pfeiffer spielt in diesen knapp gesetzten Zeichnungen auf die Zeitlichkeit, Geschichtlichkeit und Endlichkeit des Lebens an und damit letztlich auch auf die Unausweichlichkeit des Daseins ganz allgemein.
Johannes Pfeiffers „In-der-Welt-sein“ ist jedoch ein bewusstes, kein abstraktes Gefühl. Sein künstlerisches Material ist handgreiflich, seine Sprache deutlich und klar. An welchem Ort er letztlich ist, ist unwesentlich. Wesentlicher für ihn ist die Erfahrung von Leben, die in jeder Aktivität steckt.


Sabine Heilig, im November 2006